Wir folgen dir bis ans Kaspische Meer…
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Qäbälä - eine Name, der wohl den wenigsten Borussen bis zur Auslosung der Gruppenphase der Europa League geläufig war. Dementsprechend hieß es erstmal googeln, wer denn da als Gegner gezogen wurde und wohin es uns durch dieses Los verschlagen würde.

Schnell wurde klar, dass uns die Reise auf Grund eines nicht geeigneten Stadions leider nicht direkt nach Q?b?l? führen würde, sondern ins einigen Fans bereits bekannte Baku. Hier wurde schon das Spiel gegen Qarabag Agdam ausgetragen. Das Stadion allerdings sollte diesmal ein anderes sein. Statt im Tofik-Bakhramov-Stadion würde das Spiel in der Bakcell Arena stattfinden.

Da Baku rund 4000km von Dortmund entfernt liegt und auch die Anreise aus Genf nicht kürzer ist, hieß es zeitig mit den Reiseplanungen zu beginnen. Auch wenn die Botschaft von Aserbaidschan zugesagt hatte, dass man ein Visum unter Vorlage der Eintrittskarte auch am Flughafen in Baku bekommen könnte, wollte ich mir sicherheitshalber schon im Voraus selbiges besorgen. Wie sich später rausstellte, war dies eine sehr gute Entscheidung.
Bereits die Anschaffung des Visums zeigte dann, dass in Aserbaidschan die Uhren ein wenig anders ticken als hier bei uns. Nachdem ich verschiedenste Reiseunternehmen angeschrieben hatte, bekam ich mehrere Antworten mit den Konditionen, zu denen Hotelübernachtung und Visum erworben werden konnten. Einen fixen Preis für das Visum schien es nicht zu geben, die Preise variierten zwischen 40 und 90 Euro. Um das Visum überhaupt beantragen zu dürfen, musste ein bereits gebuchter Flug vorgewiesen werden und diverse Formulare ausgefüllt werden. Nach einigem hin und her entschied ich mich für eine Reisegesellschaft im mittleren Preissegment und orderte dort Visum und Hotel. Beides musste im Voraus bezahlt werden und man bekam den leicht verunsichernden Hinweis, dass im Falle der Ablehnung des Antrages das Geld nicht zurück erstattet werden kann. So saß ich also da - Flug, Hotel und Visum bereits bezahlt - und konnte nichts anderes tun als warten.
Zwei Wochen später dann die erlösende Mail - das Visum war bewilligt und ich musste es mir nur noch ausdrucken.

Am Mittwoch vor dem Spiel ging es früh morgens um fünf los zum Genfer Flughafen. Beim Einchecken kam es wie es kommen musste, ich konnte nur für die ersten beiden Flüge einen Boarding Pass bekommen. Meine Reiseroute sollte mich nämlich erst nach Rom, dann nach Teheran und von da erst nach Baku führen. Da der letzte Teil der Route allerdings von einer anderen Airline als die ersten beiden Flüge durchgeführt wurde, wurde mir mitgeteilt, dass ich hierfür in Teheran einchecken muss. Was normalerweise kein großes Problem darstellen sollte, sorgte in diesem Fall doch für ein leicht flaues Gefühl in der Magengegend. Ich hatte kein Visum für den Iran beantragt, da ich dort ja nur umsteigen wollte. Dies hieß allerdings, dass ich den Transitbereich nicht verlassen durfte, was ein Einchecken vor Ort etwas erschweren könnte.

Glücklicherweise ist mein Arbeitsplatz sehr international, so dass sich schnell ein Iranischer Kollege fand. Dieser schickte mir dann per Mail eine persische Übersetzung eines von mir auf die Schnelle in Rom verfassten Textes, der erklären sollte, was mein Problem war.

Mit diesem kleinen Helfer in der Tasche ging es dann von Rom weiter nach Teheran, wo wir um zwölf Uhr nachts landeten. Schon im Flugzeug gab es eine Durchsage, die alle Frauen darauf hinwies, doch bitte ihre Haare zu bedecken. Da ich dies bereits vorher in Erfahrung gebracht hatte, war ich glücklicherweise vorbereitet und stiefelte mit keusch verhülltem Haar aus dem Flugzeug. In der Ankunftshalle fand ich schnell eine Flughafenbedienstete, der ich mein Handy mit dem persischen Text in die Hand drückte. Diese deutete mir dann an, dass ich eine Etage höher in den Transitbereich gehen sollte. Am oberen Ende der Treppe angekommen eilte dann direkt ein etwas irritiert wirkender Soldat auf mich zu und sagte etwas auf Persisch. Englisch sprach er nicht, aber zum Glück hatte ich ja noch meinen übersetzten Text. Also reichte ich auch ihm das Handy und hoffte, er würde verstehen, worum es geht. Ich hatte das Gefühl, dass die Bemühung, eine Erklärung auf Persisch zu geben, durchaus geschätzt wurde. Umgehend hellte sich die Miene des (nebenbei bemerkt ziemlich gut aussehenden) Soldaten auf und er schaute sich meine restlichen Papiere an. Nach kurzen und leicht chaotischen Bemühungen uns zu verständigen, wurde ich wieder eine Etage tiefer geschickt und sollte mich dort hinsetzen und warten. Während der gesamten Zeit (insgesamt immerhin fast zwei Stunden), überprüfte der Herr vom Militär alle paar Minuten, ob ich mich auch ja nicht vom Fleck bewegt hatte. Ein wenig seltsam war es schon, ohne Pass dort zu sitzen und zu hoffen, dass alles klappt und ich irgendwie einen Boarding Pass für den letzten Teil meiner Anreise erhalten würde, aber glücklicherweise bringt mich so schnell nichts aus der Ruhe und so vertrieb ich mir die Zeit mit lesen.

Fünf Minuten vor der angekündigten Boardingzeit kam dann endlich ein weiterer Flughafenangestellter und drückte mir meinen Reisepass plus den ersehnten Boarding Pass in die Hand und bat mich, möglichst schnell zum Gate zu gehen.

Eine letzte kurze Verwirrung später (ich hatte nicht gesehen, dass Männer und Frauen getrennte Eingänge für den Sicherheitscheck benutzen mussten) stand ich also an der Kontrolle, um in den Bereich mit meinem Abfluggate zu gelangen. Und nochmal zeigte sich: andere Länder, andere Regeln. Mit meiner in Rom gekauften Wasserflasche gab es kein Problem (anders als beim Rückflug, als ich in Paris beim Umsteigen mein Wasser wegschmeißen musste -.-), dafür wurde mir mein extra in flugtauglicher Größe gekauftes Deo abgenommen. Warum sollte man Regularien auch einheitlich gestalten?

Letzten Endes hat aber alles geklappt und ich landete morgens um halb fünf wohlbehalten in Baku.

Die Einreisekontrolle ging dank des bereits vorhandenen Visums recht fix und die Antwort “Football” auf die Frage nach dem Grund meiner Reise zauberte selbst der sonst recht grummelig wirkenden Grenzmitarbeiterin ein kleines Lächeln ins Gesicht. Offensichtlich freute man sich tatsächlich auf den Besuch der Dortmunder.

Aserbaidschan ist eher westlich orientiert, so dass ich mein Kopftuch hier wieder abnehmen konnte. Kurz darauf die nächste erfreuliche Entdeckung: freies WLAN am gesamten Flughafen :-) Schnell also ein Foto gepostet und die Leute zuhause informiert, dass Karo es heile bis nach Aserbaidschan geschafft hatte und dann hieß es eine Möglichkeit finden, in die Stadt zu gelangen.

Von den Taxis war in den Faninfos abgeraten worden, da diese um einiges teurer waren als ein Busticket in die Stadt. Zum Glück fanden sich bereits zu dieser frühen Uhrzeit einige Borussen am Flughafen ein, so dass gemeinsam schnell der richtige Bus gefunden werden konnte. Für knapp einen Euro fuhren wir im voll besetzten Bus, in dem zu 99% nur Dortmunder saßen, dann in die Innenstadt.

Von der Endhaltestelle aus sollten es nur wenige hundert Meter bis zu meinem Hotel sein, so dass ich das Angebot eines Einwohners, der mehrere Minuten lang versuchte mich zu überzeugen, doch in sein Auto einzusteigen, dankend ablehnen konnte. Leider war der Eingang zum Hotel dann doch nicht so leicht zu finden wie gehofft, so dass ich eine gute halbe Stunde leicht verwirrt durch die nächtlichen Straßen irrte. Nach kurzer Nachfrage in einem anderen Hotel wurde mir dann allerdings doch noch der richtige Weg gewiesen und ich kam gegen sieben Uhr am Ziel an.
Dort hieß es dann leider, ich könne erst um zwölf in mein Zimmer. Ich saß also fünf Stunden halb wach halb schlafend im Aufenthaltsraum des Hotels und wartete. Um Zwölf wurde mir dann mitgeteilt, dass ich für den ersten Tag ein Einzelzimmer haben würde, am zweiten Tag dann in einen Schlafsaal umziehen sollte. War mir recht, Hauptsache ich konnte erstmal ein paar Stunden schlafen.

Die “Nacht”ruhe war allerdings recht kurz, denn nach nicht mal zwei Stunden klopfte es an meiner Zimmertür. Das Hotel sei überbucht und man müsse mich in ein anderes Hotel verlegen. Immer noch im Halbschlaf war mir auch das egal und so saß ich wenige Minuten später im Auto des Hotelbesitzers und ließ mich in mein Ersatzhotel fahren. Dieses entpuppte sich glücklicherweise als durchaus brauchbar und dort sollte ich für beide Tage ein Einzelzimmer bekommen.

Zeit zum Schlafen war jetzt allerdings keine mehr, so dass ich mich direkt auf den Weg machte, um den Treffpunkt zu suchen, an dem die von Dortmund gemieteten Busse zum Stadion starten sollten. Die Suche gestaltete sich nicht sonderlich schwierig, da die Menschen sehr freundlich waren und auch trotz Sprachbarriere durchaus zu helfen wussten. Wenn man dann noch als Dankeschön Zigaretten für die Infos “bezahlte”, wurde man teilweise sogar ein Stück begleitet, damit man auch ja den richtigen Weg fand.
So kam ich dann keine halbe Stunde später am Treffpunkt an, wo bereits erste Dortmunder an den Bussen auf das Eintreffen der restlichen Fans warteten. Hier erfuhr ich auch, dass meine Entscheidung, bereits vorher ein Visum zu besorgen, durchaus Vorteile hatte. Zwar schafften es die meisten Fans mit Beharrlichkeit und Telefonaten zwischen Flughafenpersonal und Botschaft die Mitarbeiter zu überzeugen, sie auch ohne Visum nach Baku fliegen zu lassen, doch war dies zeit- und nervenaufwendig und ein Fan musste sogar Kiew umdrehen, da die dortigen Mitarbeiter sich partout nicht überzeugen lassen wollten. Ein recht ärgerlicher Vorfall wenn man bedenkt, dass einige Visa sogar abgelehnt wurden mit der Begründung, dass man es ja am Flughafen direkt erhalten würde.

Trotz dieser Schwierigkeiten fanden rund 500 Dortmunder den Weg nach Baku und gemeinsam machten wir uns durch den gewöhnungsbedürftigen Verkehr Bakus in 10 Bussen auf den Weg zum Stadion.

Dort angekommen wurde es nochmal ein wenig chaotisch, denn es gab nur genug Personal um einen einzigen Eingang zu öffnen. Das wurde allerdings recht schnell behoben und so drängten nach und nach alle durch den “Facebook Eingang” (wer um alles in der Welt hat den Namen festgelegt?) und den Eingang daneben ins Stadion.

Bis zum Block wurden dann drei mal die Taschen kontrolliert, abgetastet wurde man dafür gar nicht. Ein etwas seltsames Sicherheitskonzept in meinen Augen. Ein wenig neidisch wurden wir, als die ersten Fans mit großen Plastikbierflaschen in den Block kamen. Das man Getränke und Essen mit rein nehmen durfte war uns bekannt, dass dies auch für Alkohol galt, überraschte dann doch etwas. Ist fürs nächste mal auf jeden Fall gespeichert!

Das Stadion selber war wenig spektakulär, wusste jedoch zumindest mit einem gewissen Charme zu überzeugen und bot einen netten Gegenpol zu den immer gleichen und großen Stadien, die man beispielsweise in der Champions League oft zu Gesicht bekommt.

Lediglich die musikalische Beschallung irritierte leicht. So schnarrten verzerrte Casio Keybord Töne mit wummerndem Disko Beat hinterlegt durch die Boxen und sorgten für Verwirrung und Erheiterung unter den Dortmund Fans.

Das Spiel begann recht stürmisch. Die ersten fünf Minuten schien Dortmund die erwartete Überlegenheit durchaus auf den Platz bringen zu können und kam nach kürzester Zeit schon zu den ersten Torschüssen. In den zweiten fünf Minuten drehte sich dies allerdings um und die Spieler des FK Qäbälä kamen zu ein paar nennenswerten Chancen.

Im weiteren Spielverlauf dominierte dann jedoch unsere Borussia und in der 31ten Minute netzte Aubameyang zum 1:0 ein. Diesem Treffer folgten noch zwei weitere, ehe die Gastgeber kurz vor Schluss noch den Ehrentreffer erzielten. Insgesamt gesehen hatten die Dortmunder das Spiel zu fast jeder Zeit unter Kontrolle, auch wenn die Chancenverwertung ein wenig effektiver hätte sein können. In der zweiten Hälfte plätscherte das Spiel nur noch vor sich hin und auch die Stimmung im Block war, bis auf ein paar wenige durchaus ansehnliche Gesangsduelle mit dem Nachbarblock, eher mäßig. Der Stimmungskern hatte sich auf der rechten Seite des Gästeblockes positioniert, während im linken Bereich die Fans ziemlich verteilt saßen und wenig bis gar nichts zur Stimmung beitrugen. Eigentlich schade wenn man bedenkt, wie weit man für dieses Spiel extra gereist ist. Vielleicht waren es aber auch Ermüdungserscheinungen auf Grund eben dieser Anreise.
Nach dem Spiel ging es mit Bussen wieder in die Stadt. Durch die Zeitverschiebung wurden die letzten Spiele des Tages hier erst um Mitternacht angepfiffen und so fand man überall in der Stadt Borussen, die in diversen Kneipen und Restaurants bei Bier und Essen Fußball schauten. Auch wir suchten uns einen netten kleinen Laden und ließen den Abend entspannt bei ein paar Bier ausklingen.

Am nächsten Tag nutzte ich die Zeit um mir Baku ein näher anzusehen und erkundete zu Fuß die Stadt. Grade die Altstadt hatte ihren ganz eigenen Charme und von ein paar etwas aufdringlichen Souvenirverkäufern abgesehen konnte man sich dort sehr gut die Zeit vertreiben. Gegen Nachmittag suchte ich dann ein nettes kleines Restaurant am Rande der Allstadt auf, um etwas zu essen. Da ich solche Gelegenheiten gerne nutze, um die landestypische Küche zu probieren, bestellte ich ein Gericht, bei dem keine ausführliche Beschreibung daneben stand und ließ mich überraschen. Wirklich genau weiß ich immer noch nicht, was ich da gegessen habe, aber es war auf jeden Fall unglaublich lecker.
Die Bewirtung war extrem freundlich und man wurde rundum versorgt. Kaum hatte man eine Zigarette aus der Packung genommen, stand auch schon die Bedienung mit einem Feuerzeug neben einem. Und auch wenn ich mehrfach versichert habe, dass ich definitiv nicht frieren würde (es waren immerhin angenehme 18 Grad) wurde mir trotzdem eine Decke über die Schultern gelegt.

Den restlichen Tag nutzte ich um mir den etwas moderneren Teil der Stadt anzuschauen. Dieser hatte leider nur wenig Charme und wirkte oft gekünstelt und aufgesetzt. Ein hochpreisiges Geschäft aus der Riege Gucci und co reihte sich an das nächste. Daher entschied ich nach kurzer Zeit stattdessen doch lieber zurück ans Meer zu wandern und dort auf den Stufen am Wasser zu sitzen und das Rauschen der Wellen zu genießen.

Auch wenn der Zeitunterschied mit drei Stunden nicht allzu groß war, hatte er meine innere Uhr doch ziemlich aus dem Gleichgewicht gebracht und so ging ich recht früh wieder zurück zum Hotel und legte mich schlafen, denn um vier Uhr morgens sollte schon der Wecker klingeln.


Hinter dem Empfangstresen fand sich zu dieser nächtlichen Stunde leider nur ein schlafender junger Mann, der kein Wort Englisch sprach. Eigentlich bot das Hotel einen Transfer zum Flughafen an, jedoch schaffte es der Herr auch nach mehreren Minuten am Telefon nicht, irgendetwas in dieser Richtung zu organisieren. Ich zog also auf eigene Faust los und fand glücklicherweise nach wenigen Minuten ein Taxi, dass mich schnell und sicher zum Flughafen brachte.


Zurück ging es über Paris und Rom und abends um sechs landete ich wieder in Genf. Der kurze Nachhauseweg zu meiner Wohnung war schnell geschafft und so konnte ich die Reise mit gemütlichem Sportschaugucken und Bier beenden.

Karo